Von der Idee zum Bild

Wolfram Ebersbach im Interview mit Esther Niebel

Esther Niebel: Zum Einstieg möchte ich dir gerne eine allgemein, philosophische Frage stellen, die nichts speziell mit deiner Person zu tun hat: Hat das Produzieren, das Malen von Bilder, mit Eitelkeit zu tun? Oder andersherum gefragt: ist ein gewisser Grad an Eitelkeit Voraus- setzung dafür, zu malen? Diese Frage hat sich mir vor allem im Vergleich mit anderen Künsten, wie der Literatur oder der Musik ergeben.

Wolfram Ebersbach: Der Entschluss, das Produzieren bzw. Malen von Bildern zum Beruf zu machen, hat viel mit dem Wunsch nach Freiheit zu tun. Es ist eher so, dass die Gesellschaft früher wie gegenwärtig wenig mit diesem Beruf anfangen kann und der Künstler in Ruhe gelassen wird, solange dieser finanziell zurechtkommt. Ich würde es nicht als Eitelkeit, sondern eher als Ehrgeiz bezeichnen, wenn ein Künstler im Wettbewerb mit von ihm geschätzten Kollegen bestehen will.

Ich male meine Bilder erst einmal für mich, schaffe mir auf diese Weise eine Art Lebenstagebuch. Sobald einmal ein Lieblingsbild verkauft wird, fehlt eine Seite in diesem Buch und ich muss es noch einmal für mich malen.

Wolfram Ebersbach

STATION lautet der Titel deiner nächsten Ausstellung. Du verweist damit auf dein Leib- und Magenmotiv, den Leipzig Hauptbahnhof. Halb ent- schuldigend bemerkst du, immer wenn es darum geht, dass du einen neuen Leipziger Hauptbahnhof malst, dass Cezanne schließlich auch sein Leben lang immer wieder den Mont Ventoux gemalt habe. Abgesehen davon, dass das eine sehr nette Anekdote und ein liebenswerter Vergleich ist, geht es um Wiederholung. Wiederholung, die eine Vertiefung aber auch eine Variation, im Sinne einer neuen Darstellung, eines neuen Blickes ist. Ich würde sagen, dass du den Bahnhof im Laufe der Jahre immer radikaler vereinfacht hast. Was hat sich seit deinem ersten Bahnhofsbild mehr verändert, du oder der Bahnhof?

Ich male meine Bilder erst einmal für mich, schaffe mir auf diese Weise eine Art Lebenstagebuch. Sobald einmal ein Lieblingsbild verkauft wird, fehlt eine Seite in diesem Buch und ich muss es noch einmal für mich malen. Dass dabei die Formen immer radikaler werden, ist auf Grund der zunehmenden Erfahrung logisch. Allerdings hat sich auch der Hauptbahnhof, eines meiner bevorzugten Motive, inzwischen stark verändert. Mit ihm haben sich auch meine Bilder aufgehellt.

Hauptbahnhof 5, 240 x 180 cm, Acryl auf Leinwand, 2019

Die zweite Lesart des Ausstellungstitels STATION steht für eine Etappe im Leben, eine Zwischenstation als Maler. Neben dem Motiv des Bahnhofs zeigst du Motive deiner Alltags- und Reiseumgebung. Nächtliche Häuserfassaden, Durchblicke durch Jalousien und Lichtpunkte, die durch Fenster strahlen. Ausschnitte und Anschnitte sind deine neuen Bildmotive geworden. Was ist es was diese Details für dich zum Bildmotiv erhebt?

Waren es bisher die monumentalen Bauten der Leipziger Innenstadt – die Passagen und der Hauptbahnhof – die mich hauptsächlich faszinierten, kamen als Motive die scheinbaren Nebensächlichkeiten hinzu, wobei auch hier für mich Raum und Licht eine wichtige Rolle spielen. Grund hierfür ist das zunehmend sich verändernde Erscheinungsbild der Stadt.

Indirekt thematisierst du das Aufbrechen und das Unterwegssein. In einem vorherigen Interview hast du gesagt, dass du dich selbst im Leben und in der Kunst als Reisenden verstehst. Welche Rolle spielt Zeit in deiner Arbeit und deiner Arbeitsweise?

Das Thema „Unterwegs“ beschäftigte mich schon seit 1980. Ich muss meine Bildfindungen erleben und erlaufen – nicht erfinden. Es gibt Bilder, in denen Passanten sich hintereinander bewegen, was als zeitlicher Ablauf einer bewegten Figur gesehen werden kann. Mit dem Wegfall der Figur spielt Zeit keine Rolle mehr in meinen Arbeiten. Zeit im Sinne von Gegenwart kommt in der Wahl der Motive zum Ausdruck.

In unserem letzten Interview hast du gemeint, dass du für architektonische Motive in deiner Malerei eine Form gefunden hast, die eher an die Annäherung an eine Skulptur erinnert. Wie würdest du deine Annäherung an die Landschaft Nordeuropas beschreiben, in die du viel und regelmäßig reist? Was zieht dich beispielsweise nach Island oder nach Norwegen und was nimmst du mit zurück?

Die Berge Norwegens habe ich schon häufig erleben dürfen. In meinen Augen sind das riesige faszinierende Skulpturen. Auch ist es die Lebensart in Norwegen, die mir sehr sympathisch ist.

Grünes Licht (Rolltreppe)., 80 x 60 cm, Kasein auf Papier, 2013

In der Ausstellung STATION stehen sich hinsichtlich der Technik Acryl auf Leinwand und Kaseinfarbe auf Papier gegenüber. Malhistorisch betrachtet ist Acrylfarbe eine Technik die es noch keine 100 Jahre gibt, während von Kaseinfarbe belegt ist, dass sie als Technik seit mindestens 2000, fast 3000 Jahren verwendet wird. Wieso hast du dich für diese Techniken entschieden, jeweils auch in Bezug auf die Motivwahl gefragt, und was sind die für dich wichtigen Eigenschaften?

Acrylfarben trocknen schneller als Ölfarben, sind unkomplizierter vermalbar und ich kann ohne größere Pausen durcharbeiten. An der Topfen-Kaseinfarbe reizt mich die Einfachheit der Selbstherstellung: Quark gibt es im Konsum nebenan, Sumpfkalk steht bei mir schon seit 20 Jahren im Atelier herum, Leinölfirnis bietet jedes Malergeschäft an, als Pigmente sind auch Ofenruß, Lehm, Tonmehl, Kreide usw. verwendbar. Außerdem besteht eine Alterungsbeständigkeit, die man z.B. bei Acryl noch nicht kennt. Das Kasein-Rezept habe ich übrigens in einer „Sendung mit der Maus“ kennen gelernt. Einfachheit und geringe Materialkosten ermutigen mich, produktiver zu sein und leichter mal eine Arbeit zu verwerfen. Leider ist Kasein für meine Art auf Leinwand zu arbeiten, nicht geeignet.