Von der Idee zum Bild

Martin Galle im Interview mit Esther Niebel

Worum geht es dir in der Malerei? Was willst du darstellen oder ausdrücken oder geht es dir hauptsächlich um die Lust am Malen selbst?

Es geht mir um nichts. Ich möchte mich mit etwas beschäftigen, das ich gut finde. Malerei ist nur ein Mittel zum Zweck. Malerei gibt mir einen Grund mich überhaupt zu beschäftigen und gleichzeitig kann ich mich einem Thema zu- wenden, das ich gut finde. Ich habe die Freiheit, thematisch alles umzusetzen. Ich muss mich nur für etwas entscheiden, dass mich dann eine Zeit lang vergnügt.

Martin Galle, OLDLADYTRANSFORMERS, 180 x 240 cm, Öl auf Leinwand, 2009

Deine Bilder zeichnet meist eine intensive Farbigkeit aus. Ist das für dich primär eine ästhetische oder eine emotionale Entscheidung?

Heute sind meine Bilder gar nicht mehr so farbig. Früher waren meine Bilder bunt.Das lag daran, dass sie suburbanen Geistes waren:sie waren von Graffiti und Comics beeinflusst. Momentan ist das nicht mehr so. Das hat mit meinem persönlichen Zeitgeist zu tun. Als die Bilder noch farbig waren, trieb ich mich auf Rummelplätzen herum und fuhr Autoscooter. Es liegt immer daran mit was man sich beschäftigt. Gerade reicht mir eine reduziertere Farbpalette.

Altmeisterlich gemalte Motive, mit viel Liebe zum Detail, brichst du immer wieder. Man hat den Eindruck, dass du Freude daran hast nachzuahmen, die Natur, Tiere, Pflanzen oder auch klassische Motive der Kunstgeschichte. Und dann zerstörst beziehungsweise brichst du das Dargestellte wieder. Fürst Pückler bekommt eine Schokolade-Vanille-Erdbeer-Eiskugel als Kopf aufgesetzt, das Landschaftsbild wird halb mit Farbe zugestrichen und das Blumenstillleben geht in eine lineare, abstrakte Farbkomposition über. Woher kommen diese Brüche?

Während des Studiums wurde erst Mal alles über mich ergossen. Ich musste mir alles angucken, die gesamte Kunstgeschichte, die alten Meister, die gro- ßen Vorbilder, alles. Es gab einen Tag, da habe ich Werner Tübke auf der Straße gestalkt, weil ich toll fand, was er gemacht hat. Alles, was ich gesehen und in mich aufgenommen habe, wurde dann in einem Bild verarbeitet. Daher vielleicht die Brechung, um dadurch etwas Eigenes mit hineinzubringen. Zu meinem Diplom kam einer der Prüfenden herein und sagte, dass sehe aus wie von mehreren verschiedenen Künstlern gemalt. Es hat mich eben alles interessiert: Porträt, Aquarellmalerei, Landschaft, Tiere, Pflanzen. Alle klassischen Themen der Kunstgeschichte. Altmeisterlich zunächst und dann kommt doch eine zeitgenössische gestische Ebene hinzu. Sobald ich das Gefühl hatte festgelegt zu werden, hat es aufgehört mich zu reizen und ich habe an einer anderen Stelle weitergemacht. Sobald ich das Gefühl hatte etwas zu bedienen, habe ich einen Bruch hingelegt und selbst das fanden die Leute gut.

Martin Galle, Fürst Pückler, 50 x 40 cm, Öl auf Leinwand, 2007

Ein anderer Punkt ist, dass ich damals nicht gedacht habe, dass einfach nur eine Blume als Motiv ausreichend ist. Aber mit der Zeit ändert man sich eben. Ich ging nicht mehr so oft auf den Rummel, sondern blätterte stattdessen in der Vogue und mir wurde klar, dass alles was als Motiv über ein Model oder Gegenstand vor einem neutralen Hintergrund hinaus geht, völlig übertrieben ist. Man muss erst mal alles das, was einem beigebracht wird, auf das man getrimmt wurde, vergessen. Das Ineinander-Schmei- ßen von Motiven war plötzlich weg. Die ganze Narration, die bei einem Motiv mitschwingt, der Bedeutungs- kosmos, das ist jetzt im Moment eben hinter das Motiv getreten.

In deiner Ausstellung zeigst du Pferde und Pfingstrosen. Warum sind das BILDER DEINER GROßEN LIEBE?

Sind die Bilder von deiner großen Liebe gemalt oder sind die dargestellten Dinge deine Leidenschaft, deine große Liebe? Oder werden Sie deine große Liebe? Oder sind die dargestellten Dinge mit Liebe umgesetzt? Pferde- und Rosenliebhaber haben viel gemeinsam. Pfingstrosenzüchter haben diese zur Huldigung ihrer zarten Liebe, von Geliebten und von Frauen irgendwelcher Herrscher gezüchtet. Da ist also viel Liebe im Spiel. Genauso wie wenn man sich mit Tieren beschäftigt. Ich sammle Pfingstrosen, die bezaubernd schön sind und die diese wohlklingenden Namen wie Taiyo (Sonne), Hoki (Frauen in blühenden Jahren) oder Jitugets Nishiki (Sonne Mond Brokat) tragen. Ich lege mich in mein Feld und träume. Das inspiriert mich. Und dann arbeite ich viel- leicht. Die Geschichte dahinter, hinter der Pfingstrose wird aber nicht erzählt, sie schwingt nur mit. Ich finde es gut, wenn die Bilder sagen „hier bin ich” und sich denken “hinter dem was du siehst ist noch viel mehr“.

Pferde stehen bekannt- lich für Eigenschaften wie Treue, Stärke und Freiheit. Bei Parsifal ist das Pferd das Gefährt mit dem wir uns über die Erde hinbewegen und das man am Ende des Lebens dem Totenfähr- mann beim Übersetzten abgeben muss. Das Pferd ist hier also Sinnbild für den Körper. Wie hälst du es mit den Pferden?

Pferde sind Arbeitstiere, Lebensmittel und dienen zur Freizeitunterhaltung. Es gibt nur noch wenige die in der Wildnis bezie- hungsweise geschützt leben. Sie sind sehr sensibel und einfühlsam, verlässlich und extrem stark.An der Koppel zu stehen und Pferde anzuschauen oder sich an eines anzukuscheln, Fohlen springen- und über die Wiesen laufen zu sehen, das ist einzig- artig. Was macht das mit dir?

Neben ganz viel Wärme gibt es da eine bestimmte Melancholie. Bei Pfingstrosen ist das ähnlich. Pfingstrosen haben manchmal nur zwei Wochen der vollen Blü- te, dann sind sie für den Rest des Jahres wieder einfach nur ein grüner Busch. Das plötzliche aber kurzzeitige Erblühen der Rose ist wie die kurze Jugend des Pferdes bevor es seiner Bestimmung überlassen wird. Da schwingt viel Ver- gänglichkeit mit, was letztlich nichts anderes als Melancholie ist.

Meine Bilder sehen aber nicht melancholisch aus, Sie feiern eigentlich diesen kurzen Moment und vermitteln eher einen positiven, optimistischen Eindruck. Trotzdem tragen sie aber die Melancholie in sich.

Martin Galle, Atelieransicht 2022

Pferde und Pfingstrosen sind eine tolle Alliteration. Darauf kam es dir aber vermutlich nicht an, sonst hättest du sie als Ausstellungstitel aufgegriffen. Was haben Pferde mit Pfingstrosen zu tun? Oder besser gefragt: warum stellst du sie gemeinsam aus?

Pferde schmecken gut und Blumen sehen gut aus ... und andersrum. Warum sollte ich etwas anderes ausstellen?
Momentan arbeite ich ausschließlich an Serien von Pfingstrosen und Pferden. Schon alleine daraus ergibt sich, dass sie nebeneinander entstehen, aufwach- sen und erblühen.

Martin Galle, o.T., Lackfarbe auf Leinwand, 2022

Sie sind da, einfach - erstmal gut. Und dann haben sie jeweils ihre ganz eigenen und dann dennoch verbindenden Bedeutungen. Die Bilder machen ihr Ding. Ich versuche sie so zu malen, dass sie gut sind und dabei die Bedeutung rauszulassen. Wenn du dir dann Zeit nimmst und sie intensiv betrachtest, fängt es an zu schwingen und die Bedeutung, dass Allumfassende, nimmt sich seinen Raum.