»Become a Menstruator«

Petra Mattheis im Gespräch mit Mithu Sanyal

Mithu Sanyal: Was war der Ursprung deines Projekts? (Das jetzt zum ersten Mal im Juni in einer Ausstellung „Arts and Crafts Week at Panty Camp” auf der Leipziger Baumwollspinnerei zu sehen sein wird?)

Petra Mattheis: Ich hatte vor Jahren schon die Idee zu dem Titel „Die Träume meiner unbefruchteten Eizellen”. Der Text hat mich eine ganze Weile begleitet und ich konnte ihn nie so recht packen. Ich habe vieles probiert, mich aber noch nicht so recht heran getraut.

Im Sommer 2013 hatte ich dann die Idee, eine Reihe von Motiven für T-Shirts zur Menstruation zu erstellen. Daraufhin recherchierte ich über Menstruation und sammelte und erarbeite Texte und Symbole.

Sind die T-Shirts dann zum Verkauf bestimmt? Glaubst du, dass die Leute Menstruations-T-Shirts tragen würden?

Mir kam das Menstruations-T-Shirt von American Apparell zuvor. Darauf war eine Zeichnung von einer blutenden, masturbierenden Vulva mit Schamhaaren abgebildet. Die T-Shirts waren mir dann nicht mehr so wichtig. Es geht vielleicht auch weniger darum, die T-Shirts zu tragen, als darum, etwas sichtbar zu machen, was so lange versteckt und verschwiegen wurde.

Werbung trägt dazu bei, dass das menstruelle Tabu erhalten bleibt. Immer noch zielen die meisten Anzeigen oder Werbespots darauf, dass alles, was mit Menstruation zu tun hat, bloss nicht sichtbar wird.

Petra Mattheis

Das American Apparel T-Shirt von Petra Collins hat ja für eine ganze Menge Proteste gesorgt. Woher kommen diese Berührungsängste?

Sie hat gleich mehrere Tabus berührt, Masturbation, Schamhaare und Menstruation. Werbung trägt dazu bei, dass das menstruelle Tabu erhalten bleibt. Immer noch zielen die meisten Anzeigen oder Werbespots darauf, dass alles, was mit Menstruation zu tun hat, bloss nicht sichtbar wird. Kein Blut, keine Schmerzen, keine Stimmungsschwankungen. Die Werbung vermittelt mir, dass ich nicht darüber reden soll, dass ich alles tun muss, damit niemand etwas bemerkt und ich obendrein wie eine Energiebombe in weißen Klamotten Extremsport zu machen habe. Das führt dazu, dass Frauen ihre Bedürfnisse unterdrücken, ignorieren und nicht formulieren. Neulich las ich etwas, was das ganz gut zusammenfasst: Frauen machen aus Heuchelei eine regelrechte Kunstform.

Auch dieses Tabu wird durch Schweigen erhalten. Zum Glück gibt es Einige, die sich als menstrual activists für eine Veränderung einsetzen. Man (nicht nur die Frauen, auch die Männer) muss nur anfangen darüber zu sprechen.

Periode ist ja seit Jahrhunderten ein tabuisierter Bereich, was meinst du, woran liegt das?

Eigentlich ist es doch ein vollkommen natürlicher Vorgang. Ein lebenswichtiger! Das Tabu zieht sich durch alle Kulturen und hat sicherlich mit dem Patriarchat und der damit einhergehenden Unterdrückung der Frau zu tun. Die Machtstrukturen, die manche bevorteilen und andere entsprechend benachteiligen. Obwohl unsere Nachrichten und unsere Filme voll sind mit Blut und wir rein statistisch ständig von menstruierenden Frauen umgeben sind, ist es noch immer nicht üblich, zwanglos über Menstruation zu sprechen.

Wenn man sich überlegt, wie Weiblichkeit noch zur Steinzeit verehrt wurde, der weibliche Körper, die Vulva, das Menstruationsblut, dann ist es traurig, dass die Tabuisierung leider immer noch ein gegenwärtiger Zustand ist. Ich habe mit Frauen gesprochen, deren Freund sich weigert Tampons einzukaufen oder den Mülleimer im Badezimmer zu leeren, wenn darin benutzte Tampons liegen. Geht es um Menstruationsblut, ist Blut nicht mehr nur Blut. Das war der Ausgangspunkt meiner Arbeit.

Menstruation ist ein komplexes Thema. Es beginnen so viele Dinge von der weiblichen Mitte aus, dass ich immer noch neue Assoziationen entdecke und weiter daran arbeiten möchte.

Petra Mattheis

Worauf bist du während deiner Recherche gestossen?

Da taucht als erstes der Mond auf. Die Periode und der Mond sind vermutlich seit Jahrtausenden miteinander verbunden. Ich habe gelesen, dass in den Zeiten, in denen das Mondlicht noch eine Rolle spielte, Frauen gemeinsam zum Neumond menstruierten. Auch die Blume ist ein häufig verwendetes Symbol. Daran gefällt mir persönlich der Gedanke des Wachsens und des Blühens. Die Schlange ist ein „Mond-Tier” aufgrund ihrer zahlreichen Häutungen.

Viele Motive ergaben sich durch rein formale Ähnlichkeiten, zum Beispiel der Rinderschädel, der mit seinen Hörnern an den Uterus mit seinen Eileitern erinnert. Später entdeckte ich dann, dass das Bucranium ein sehr altes Symbol für weibliche Fortpflanzungsorgane ist. Stolz bin ich auf meine Kreation des Uterus als mexikanischer Totenschädel, hier werden die Eileiter zu Augen.

Menstruation ist ein komplexes Thema. Es beginnen so viele Dinge von der weiblichen Mitte aus, dass ich immer noch neue Assoziationen entdecke und weiter daran arbeiten möchte.

Ich habe mich auch viel mit Euphemismen für Regel beschäftigt. Das englische „The Curse”, das deutsche „Erdbeerwoche”, das amerikanische „Shark Week”. Es gibt eine große kulturelle und regionale Vielfalt an Ausdrücken. Manche sind sehr kreativ, sehr ausdrucksstark in der Beschreibung. Einen davon habe ich zu meinem Ausstellungstitel gemacht: „Arts and Crafts Week at Panty Camp”.

Was wird man in der Ausstellung zu sehen bekommen?

Ganz viel Rot! Das hatte ich gleich zu Beginn für mich entschieden. Für alles die Farbe Rot zu verwenden. In der Ausstellung wird das Projekt „Become a Menstruator”, kurz „BAM” zu sehen sein. Dabei handelt es sich um Stempel, bestehend aus Text- und Bildmotiven, die aus meiner Recherche entstanden sind. Die Wände sind von oben bis unten vollgestempelt mit den Motiven. Zu „BAM” gibt es auch eine Website becomeamenstruator.org, auf dieser kann man sich in Do-it-Yourself-Methode Vorlagen ausdrucken, eigene Stempel erstellen und auf diese Weise aktivistisch loslegen. In der Ausstellung zeige ich die Originale.

Es gibt auch das BAM-Manifesto: „28 Days to overcome menstrual taboo!”. Ebenfalls zu sehen sein wird eine Serie an Arbeiten mit dem Titel „Die Träume meiner unbefruchteten Eizellen / Ode to my spotless ova”. Hier hat mein ursprünglicher Text endlich eine Form gefunden. Die Serie besteht aus einer Gruppe von ganz unterschiedlichen Figuren, die aus rot gefärbten ehemaligen Kleidern genäht sind. Und dann gibt es noch einiges mehr zu sehen.

Außerdem ist die Ausstellung nicht „nur” zum konsumieren gedacht, sondern zum mitmachen, mit gestalten, weitertragen. Wie sieht das aus?

Ich werde eine Ecke installieren, in der man sich als Menstruator inszenieren kann. Diese Portraits werden dann, wenn derjenige das will, über soziale Medien verbreitet. Und beeinflusst von Eve Enslers „Vagina Monologen” hatte ich angefangen Frauen zu fragen, welches Gesicht ihre Gebärmutter macht. Da kamen berührende Antworten wie „enttäuscht”, „traurig”, „kämpferisch”. In der Ausstellung erhalten die Besucher die Möglichkeit, ihrem (möglichem oder tatsächlichem) Uterus ein Gesicht zu geben. In der Arbeit „Who’s your Womb?” kann man in vorgedruckte Gebärmutterumrisse (der ja der Gesichtsform ähnelt) Gesichter stempeln. Die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke kann man selbst aus Stempeln für Augenformen, Augenbrauen, Nasen und Mündern zusammenstellen.

Dein Projekt ist eine wunderbare Mischung aus Kunst und Aktivismus. Was möchtest du damit erreichen?

Definitiv einen bewussteren Umgang mit Menstruation und allem, was dazu gehört. Es ist ein Bereich, der in der Mitte der Frauen liegt und der mit soviel negativen Dingen belegt ist. Ich möchte, dass Menschen damit offen und entspannt umgehen. Freuen würde ich mich, wenn die Ausstellung auf Reisen gehen könnte und so auch auf unterschiedliche Kulturen trifft. Es ist so ein wichtiger Teil im weiblichen Leben, der Spaß machen kann, Freude und Lust! Ich erkenne ja an meinem persönlichen Umfeld, wie sich das Tabu auflöst. Es braucht natürlich Zeit, aber ich bin mir sicher, dass Stereotype immer weiter aufbrechen werden. Wir werden dem Thema Menstruation wortwörtlich einen neuen Stempel aufdrücken!

Dr. Mithu M. Sanyal ist Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und Autorin des Buches „Vulva - Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts”.